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Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 22.12.2022, Az. 5 HK O 14476/21, in Ziffer I seines Tenors aufgehoben und die Klage auch insoweit abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 des Tenors bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
A.
1
Die Parteien streiten um die Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten und um die Beendigung seines Vorstandsanstellungsvertrages.
2
Die Beklagte war bis zu ihrer Umwandlung in eine GmbH im Jahr 2022 eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, die unter der Firma … AG auftrat. Der Unternehmensgegenstand der Beklagten lag im Vertrieb und der Durchführung von Internetdienstleistungen sowie der Beratung in allen Bereichen, die relevant für das Internet sind; zu dem Unternehmensgegenstand gehörte auch der Kauf und Verkauf von EDV-Anlagen (Personalcomputer, Terminals, Server etc.) und Software sowie auch dazu gehörende Computer-, Telekommunikations- und Internetsysteme, ferner Kauf und Verkauf auf eigene oder fremde Rechnung von Konsum-Investitions- und Industriegütern sowie Dienstleistungen, insbesondere Leasing- und Serviceverträge (vgl. die Handelsregisterauszüge laut Anl. K 2 und 3) .
3
Der Kläger wurde mit Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten vom 14.09.2017 unter Verlängerung der erstmals mit Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten zum 01.07.2013 erfolgten Bestellung zum Vorstand erneut zum Vorstand der Beklagten für die Periode vom 15.09.2017 bis zum 14.09.2022 bestellt. Unter dem 15.09.2017 schlossen die Parteien den Vorstandsdienstvertrag laut Anl. K 1, der bis zum 14.09.2022 befristet war und in seinem § 4 Abs. 1 eine jährliche Vergütung von € 140.000,-, zahlbar in 12 gleichen monatlichen Raten am Ende eines jeden Monats, sowie neben einer Bonusregelung in § 4 Abs. 2 ein Budget von € 18.000,- pro Kalenderjahr für das Leasen eines Kraftfahrzeugs vorsah.
4
Der Vorstandsdienstvertrag (im Folgenden mit DV abgekürzt) lautete auszugsweise wie folgt:
„§ 10 Geheimhaltung, Nebentätigkeiten
(1) Der Vorstand verpflichtet sich alle betrieblichen Angelegenheiten und Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm während und im Rahmen seiner Tätigkeit für die Gesellschaft oder mit in der …-Gruppe verbundenen Unternehmen bekannt werden, vertraulich zu behandeln, unabhängig davon, ob sie als vertraulich gekennzeichnet oder offensichtlich als vertraulich erkennbar sind.
Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses oder einem Ausscheiden aus der …-Gruppe.
Der Vorstand ist insbesondere verpflichtet, vertrauliche Informationen dieser Art:
a) ohne zeitliche Beschränkung streng geheim zu halten, bis die Information offenkundig geworden ist oder in sonstiger Weise ihren vertraulichen Charakter verloren hat.
b) weder direkt der indirekt zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder an eine nicht berechtigte, durch die …-Gruppe autorisierte Person zu kommunizieren,
c) weder für eigene Rechnung noch für fremde Rechnung, gleich in welcher Form, zu verwerten.
Zu den vertraulichen Informationen im Sinne dieser Vereinbarung zählen insbesondere Informationen von Geschäftspartnern, Know-How, Kalkulationen, Adressdaten, Arbeitsergebnisse der Gesellschaft oder der …-Gruppe in Bezug auf Kunden oder Projekte, die nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich sind und der Allgemeinheit erkennbar nicht bekannt werden sollen. Vertrauliche Informationen dürfen nicht ohne Genehmigung des Aufsichtsrats und der gegebenenfalls betroffenen Unternehmen weitergegeben werden. Die Verletzung dieser Geheimhaltungspflicht stellt einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dieses Vertrages dar.
(…)
§ 12 Vertragsdauer
(1) Der Vorstandsvertrag tritt am 15.09.2017 in Kraft und ist auf die Dauer bis zum Ablauf des 14.09.2022 befristet. Er endet damit am 14.09.2022, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
(2) (…)
(3) Das Recht zur fristlosen Kündigung dieses Vertrages aus wichtigem Grund bleibt für beide Parteien unberührt.
(4) Die Gesellschaft ist berechtigt, den Vorstand von der Erbringung seiner Dienstleistung aus wichtigem Grund jederzeit – insbesondere im Zusammenhang mit einer Abberufung oder Kündigung dieses Vertrages – für die restliche Zeit seiner Tätigkeit unter Anrechnung seines Urlaubsanspruchs freizustellen.“
5
Am 23.04.2021, 16:27 Uhr sandte der Kläger eine Email (Anlage B 8) an seinen damaligen Mitvorstand … und Frau …, eine Mitarbeiterin der französischen Schwestergesellschaft der Beklagten, betreffend die Übermittlung der Gehaltsabrechnungen für April 2021 für ihn und den vormaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten … .
6
Am 10.05.2012, 13:50 Uhr versandte der Kläger eine E-Mail (Anlage B 7) an Frau …, in der es um die Behandlung von Provisionszahlungen ging und der weiterer interner Email-Verkehr sowie Schriftwechsel mit der Steuerberatungsgesellschaft der Beklagten beigefügt war. Diese Email schickte der Kläger CC an seinen Mitvorstand … und das Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten … sowie wiederum an seine private Email Adresse.
7
Am 31.05.2021, 12:10 Uhr übermittelte der Kläger von seinem dienstlichen Email-Account …@…com die Email laut Anl. B 2 mit dem Betreff „!!!! … AG shareholder register and display, how … is embedded in … “ an seinen Mitvorstand … und das Aufsichtsratsmitglied … . Auf CC setzte er seine private Email-Adresse …@gmx.net. Vor seine private Email-Adresse setzte der Kläger die Email-Anschriften von … und nach seine private Email-Adresse diejenige von … ebenfalls auf CC. Der Email fügte er ein Schreiben der … AG an die Beklagte, weiteren internen Email-Verkehr der Beklagten im Zusammenhang mit einer Geldwäscheidentifizierungsanfrage der … AG sowie ein Organigramm der Beklagten bei.
8
Weiterhin schickte der Kläger am 31.05.2021 um 17:47 Uhr eine Email (Anlage B 9) an Herrn … und Herrn …, den Vorstandsvorsitzenden der Muttergesellschaft …, (Anlage B 9) zu internen Zuständigkeitsfragen bei der Beklagten.
9
Am 16.06.2021 um 11:13 Uhr versandte der Kläger eine Email (Anlage B 5) an …, der ein Email-Verlauf sowie eine als „confidentiel“ überschriebene Präsentation betreffend Fragen zur Provisionsgestaltung sowie das Protokoll eines internen Meetings vom 07.06.2021 zu dieser Problematik beigefügt war.
10
Am 18.06.2021, 17:17 Uhr (Anl. B 3) schickte der Kläger eine Email an Frau … und den Mitvorstand …, in der er zu einer beigefügten Email von Herrn …, einem Mitarbeiter der Beklagten, im Zusammenhang mit einem von diesem geltend gemachten Anspruch auf Provisionszahlungen Stellung nahm.
11
Am 21.06.2021 um 12:34 Uhr verschickte der Kläger eine Email (Anlage B 6) an Frau … sowie Herrn …, der ein Schreiben von … zu Provisionszahlungen beigefügt war.
12
Einer Email vom 24.06.2021, 11:51 Uhr (Anlage B 1) an Frau … fügte der Kläger Übersichten über Umsatzerlöse und Bonifizierungsgrundlagen für den Mitarbeiter …, Email-Verkehr des Klägers mit Mitarbeitern der Beklagten sowie die Kopie eines Lizenzvertrages mit dem Kundenunternehmen … GmbH bei.
13
Der Kläger übermittelte am 28.06.2021 um 13:26 Uhr die Email laut Anl. B 4 an … und … von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft … GmbH, in der es um Spesenzahlungen der Beklagten an den Kläger ging und der eine Spesenübersicht für die Jahre 2013 bis 2021 beigefügt war; diese Email ging auch an Frau … sowie …, eine Mitarbeiterin der Beklagten.
14
All diese Emails versandte der Kläger von seinem dienstlichen Email-Account, wobei jeweils seine private Email-Adresse auf CC gesetzt war.
Quelle:
Mehr Informationen unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2024-N-22085?hl=true